Orden in der Mainzer Fastnacht
E’ Stück’che Blech mit bunte Staa’
Orden in der Fastnacht
Obwohl ein Fastnachtsorden eigentlich nur e‘ Stückche Blech, verziert mit Strass und bunten Steinen, ist, ist er immer wieder Ziel der Begierde vom kleinsten Kadett bis zum altgedienten, in Würde ergrauten Gardisten und hochdekorierten General. Gardevorstände und Ordensausschüsse stehen im Spätsommer eines jeden Jahres vor der die Fastnachtswelt bewegenden Frage, „Wie soll unsern neie Orden aussehe? Welches Motiv habbe mer?“ Orden gehören nämlich zur Mainzer Fastnacht wie der Bajazz und der Till, wie der Narrhalla-Marsch und das Humba täterä. Mit dem Orden identifiziert sich der Narr mit seiner Korporation und er trägt ihn als sichtbaren Beweis für sein großes Engagement in „der herrlichsten Nebensache der Welt“.
„Auszeichnungen“ durch Orden haben eine sehr lange Geschichte. Die in der Antike auf Grund großer militärischer Verdienste vergebenen Belohnungen sind eindeutig als Auszeichnung belegt. Römische Legionäre trugen sie für jedermann sichtbar auf ihren Brustpanzern. Noch heute kann man sie auf den im Römisch-germanischen Zentralmuseum erhaltenen Grabsteinen römischer Offiziere erkennen. Das moderne Ordenswesen geht auf die Hoforden zurück, mit denen die Herrscher den Adel bewusst an sich zu binden versuchten. Diese Orden standen in der Tradition der frühen Ritter-Orden des ausklingenden Mittelalters und verstanden sich als eine zahlenmäßig begrenzte Ordensgemeinschaft, die gemäß den in den Statuten festgehaltenen ritterlichen Forderungen lebte. Kennzeichen dieser Ordensgemeinschaft war ein von allen Mitgliedern getragenes spezifisches Ordensabzeichen, das als Zeichen der ewigen Zugehörigkeit zu einer Rittergemeinschaft galt. Dieses Abzeichen wurde dann zum Orden (= Ehrenzeichen) in unserem heutigen Sprachgebrauch, welches für persönliche Verdienste, nicht selten aber auch routinemäßig an Angehörige von Adelshäusern und Politiker verliehen wurde.
Die Geschichte der Karnevalsorden begann mit dem organisierten Karneval in Köln. Auf alten Darstellungen sind bereits Sitzungspräsidenten zu erkennen, die viele Orden übereinander trugen. Auch in Mainz ist die Geschichte der närrischen Orden so alt wie die organisierte Fastnacht selbst. 1838 erhielten zwölf „Kamelritter“ die ersten Fastnachtsorden. Auf dem achtzackigen Stern aus buntem Glanzpapier prangte ein Trampeltier.
In Köln wie in Mainz zielte man mit den Ordensverleihungen darauf ab, das lange Zeit dem Adel und dem Militär vorbehaltene Ordenswesen zu persiflieren. In der alten Garnisonsstadt Mainz symbolisierte der Karnevalsorden eine Geringschätzung militärischen Benehmens und Pomps. Er stellte eine Persiflage auf die staatlichen und militärischen Orden, Schärpen und Brustbänder des Militärs dar.
Bald sahen viele Orden aber doch tatsächlich wieder aus, als seien sie wirklich welche und ließen sich von militärischen Auszeichnungen kaum unterscheiden. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Gestaltung der Orden origineller und auf den überlieferten Exemplaren ist eine einsetzende närrisch kreative Phantasie zu beobachten. Gekreuzte Schwerter ersetzte man nunmehr durch Pritsche und Narrenzepter, der deutsche Adler musste der Eule Platz machen.
Im Laufe der Zeit griffen die Ordensgestalter vermehrt Themen wie Politik, Ortsgeschichte, lokale Gebäude usw. auf. Aber auch zeitgeschichtliche Bezüge fanden und finden sich auf Orden wieder. Bis heute variiert die beabsichtigte Aussage der Orden zwischen Spott, graphischer Aussage und Ehrbezeugung. Nicht leugnen lässt sich, dass viele Orden wesentlich mehr Prunk als Witz und Phantasie enthalten.
Die Entwicklung der Orden hin zu närrischen Statussymbolen und weg von der ursprünglich intendierten ironischen Darstellung ist wohl nicht aufzuhalten. Heute ist der Orden ein fester Bestandteil närrischen Brauchtums geworden und Karnevalisten in den verschiedensten Hochburgen sehen ihn als Belohnung für ihr Engagement in der närrischen Zeit an – egal ob man sich denselben verdient, erdient, erdienert oder erdiniert hat. Die ursprünglich als Persiflage gedachte Bedeutung der Orden hat sich ins Gegenteil verkehrt und ist einer mehr oder weniger gepflegten Eitelkeit gewichen.
Text: Dr. Dieter Degreif
Im Mainzer Fastnachtsmuseum kann man viele dieser schönen Stücke anschauen. Infos gibt es hier.
Wissenswert ist auch, dass Orden nicht ver- oder gekauft werden. Im Gegensatz zur Kölner Fastnacht ist das in Mainz verpönt. Eine Ausnahme stellen Orden der vergangenen Kampagne dar, die von machen Vereinen an Sammler verkauft werden. Es ist in Mainz üblich nur Orden der aktuellen Kampagne zu tragen insofern es sich denn um Kampagnen- also Jahresorden handelt. Orden gibt es jedoch auch als besondere Auszeichnungen, welche vom Geehrten oder der Geehrten dauerhaft getragen werden. Ein Beispiel hierfür stellt der Mainzer Stadtorden dar.