An diesem Tag wird exakt um 11:11 Uhr am Mainzer Schillerplatz das närrische Grundgesetz verkündet. Zur Veranstaltung rechts auf der Seite klicken.

Wer das närrische Grundgesetz kennen möchte, findet es hier.

Woher kommt der Brauch? Und wa­rum der 11.11. auch der Be­ginn ei­ner Fas­ten­zeit ist.

Von Pe­ter Kra­wietz, veröffentlicht in der Allgemeinen Zeitung Mainz am 10.11.2018

Der Be­ne­dik­ti­ner­mönch An­selm Schott aus Ma­ria Laach stell­te 1883 in sei­ner Ein­füh­rung in die la­tei­nisch-deut­sche Aus­ga­be des „Rö­mi­schen Mess­buchs“ fest: „ Der Ad­vent war mit fei­er­li­chem Fas­ten aus­ge­zeich­net. Die­ses be­gann in al­ter Zeit an man­chen Or­ten gleich nach dem Mar­ti­nus­fest (11. No­vem­ber). So kam ei­ne Art vier­zig­tä­gi­ge Fas­ten­zeit vor Weih­nach­ten auf.“ In Mai­land üb­ri­gens fei­ert man noch heu­te den sechs­wö­chi­gen Ad­vent.

So­mit er­hielt al­so der Elf­te im Elf­ten, der schon im­mer das En­de des bäu­er­li­chen Wirt­schafts­jah­res und der Ter­min für die Pacht­zah­lung und den Wech­sel der Knech­te und Mäg­de war, ei­nen zwei­ten fest­li­chen In­halt: zum ei­nen das Pa­tro­nats­fest des hei­li­gen Mar­tin, zum an­de­ren – ähn­lich der Be­deu­tung des Fast­nachts­diens­tags – die „Nacht vor dem Fas­ten“, wo­mit wir bei dem Be­griff „Fast­nacht“ an­ge­langt sind. Geht man nun da­von aus, dass es ne­ben der vor­ös­ter­li­chen Fas­ten­zeit auch ei­ne vor­weih­nacht­li­che Fas­ten­zeit gibt, dann er­scheint es nur lo­gisch, dass auch an­ge­sichts die­ser Fas­ten­zeit die „Weg­nah­me der Fleisch­spei­sen“ (= „Car­ne­val“) be­vor­steht und dass man folg­lich die leicht ver­der­bli­chen Nah­rungs­mit­tel so­zu­sa­gen we­gisst und sich vor der Zeit des Ver­zichts in­ten­siv von den Freu­den die­ser Welt vor­läu­fig ver­ab­schie­det.

Vie­ler­orts ver­bin­det man mit dem 11.11. die Nar­ren- und Schnaps­zahl und be­trach­tet ihn da­mit als Be­ginn der Fast­nachts­kam­pag­ne. Die­se Auf­fas­sung hat sich zwar erst zwi­schen den bei­den Welt­krie­gen im vo­ri­gen Jahr­hun­dert er­ge­ben, er­scheint heu­te aber als ei­ne ur­al­te Tra­di­ti­on.

Auch wenn in Mainz am 11.11. um 11.11 Uhr vom Bal­kon des Ost­ei­ner Hofs das När­ri­sche Grund­ge­setz ver­kün­det wird und das när­ri­sche Volk auf dem Schil­ler­platz den Ein­druck ver­mit­telt, als ha­be end­lich die Kam­pag­ne be­gon­nen, die nur von Ad­vent und Weih­nachts­fest un­ter­bro­chen wird, so ist fest­zu­hal­ten, dass in Mainz am 11.11. die Kam­pag­ne nicht er­öff­net wird. Sie be­ginnt erst am 1. Ja­nu­ar mit dem Neu­jahr­sum­zug der Gar­den. Wie ist dies zu er­klä­ren? Ist es ein Scherz, wenn man an­nimmt, dass im Zu­ge der Glo­ba­li­sie­rung lo­ka­le und re­gio­na­le Un­ter­schie­de im­mer mehr ver­schwin­den?

Wir wis­sen al­ler­dings, dass sich der Main­zer Car­ne­val-Ver­ein (MCV) nach sei­ner Grün­dung 1838 in den An­fangs­jahr­zehn­ten je­weils am En­de der Kam­pag­ne als Ver­ein auf­lös­te und et­wa er­ziel­te Ge­win­ne für so­zia­le Zwe­cke spen­de­te. All­jähr­lich be­an­trag­ten die Kar­ne­va­lis­ten recht­zei­tig vor der näch­sten Kam­pag­ne bei den Be­hör­den die Ge­neh­mi­gung zum Fast­nacht fei­ern als Ver­ein neu. Dann hielt man am 11.11. ei­ne „när­ri­sche Ge­ne­ral­ver­samm­lung“ ab, mit der die Vor­be­rei­tung der Ver­an­stal­tun­gen in der Kam­pag­ne be­gann. Re­gel­rech­te kar­ne­va­lis­ti­sche Sit­zun­gen mit Kapp und Or­nat oder Kos­tüm und Mas­ken, wie sie heu­te in vie­len Re­gio­nen an den Wo­che­nen­den vor und nach dem 11.11. üb­lich sind, gab es in Mainz nicht, eben­so we­nig üb­ri­gens wie die Wei­ber­fast­nacht am (Fast­nachts-)Don­ners­tag.

Am 11.11. ver­sam­mel­te man sich in Knei­pen und Sä­len, ge­klei­det im Bier­an­zug, ver­mied – auch wenn es schwer fiel – den He­lau-Ruf und schob den Vor­hang ein we­nig zur Sei­te, um ei­nen kur­zen Blick auf die kom­men­de Kam­pag­ne frei­zu­ge­ben. In den 1950er Jah­ren pfleg­ten die Gon­sen­hei­mer Eis­kal­ten Brü­der in der när­ri­schen Ge­ne­ral­ver­samm­lung das Ko­mi­tee frisch zu ver­ei­di­gen. Da­nach saß das Ko­mi­tee wie­der im Saal. Der Ein­tritts­preis zu die­ser Ver­samm­lung be­trug 4,99 Mark. Der MCV führ­te bis vor ei­ni­gen Jah­ren sei­ne När­ri­sche Ge­ne­ral­ver­samm­lung am Abend des 11.11. in Form ei­nes bun­ten Abends durch. Die char­man­te Prä­si­den­ten­gat­tin mo­de­rier­te zu­sam­men mit ei­nem MCV-Ak­ti­ven den Abend. Streng wur­de auf das Tra­gen von Kapp, Or­den und Eh­ren­zei­chen ver­zich­tet: die Kam­pag­ne be­ginnt ja erst näch­stes Jahr am 1. Ja­nu­ar!

Die­ser Tra­di­ti­on folgt ganz ak­tu­ell auch der Gon­sen­hei­mer Car­ne­val Ver­ein (GCV), der zwar am Wo­che­nen­de nach dem 11.11. zu zwei höchst un­ter­halt­sa­men Ver­an­stal­tun­gen lädt, die sehr wohl an ei­ne Sit­zung oh­ne Ko­mi­tee er­in­nern, die aber ab­so­lut kei­ne Sit­zun­gen sind und den Ti­tel „Kam­mer­spie­le“ tra­gen. Weitere Veranstaltungen sind in unserem Kalender zu finden. Schon im­mer wa­ren die Main­zer Ver­an­stal­tun­gen um den 11.11. he­rum na­tür­lich auch ei­ne gu­te Ge­le­gen­heit, neue Ak­ti­ve die Büh­nen­luft der Narr­hal­la schnup­pern zu las­sen. Ganz ver­ges­sen wur­de die spe­ziel­le Main­zer Auf­fas­sung vom 11.11. – Gott Jo­kus sei’s ge­dankt – bis­lang noch nicht. Und wenn man den An­spruch er­hebt, Fast­nacht als kul­tu­rel­les Er­be zu wer­ten, dann soll­te man ge­wis­se Main­zer Al­lein­stel­lungs­merk­ma­le wie den ge­reim­ten po­li­ti­schen Vor­trag oder eben un­se­re In­ter­pre­ta­ti­on des Elf­ten im Elf­ten nicht oh­ne Wei­te­res auf­ge­ben.

Der Au­tor ist un­ter an­de­rem Vi­ze­prä­si­dent des Bun­des Deut­scher Kar­ne­val, Eh­ren­prä­si­dent der In­te­res­sen­ge­mein­schaft Mit­tel­rhei­ni­scher Kar­ne­val, Eh­ren­ko­mit­ee­ter der Eis­kal­ten Brü­der Gon­sen­heim und ehe­ma­li­ger Kul­tur- und Schul­de­zer­nent der Stadt Mainz.

 

Was passiert am 11.11.?
Verlesung des närrischen Grundgesetzes um 11:11 Uhr am 11.11.
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Proklamation der Narrencharta am Fastnachtsbrunnen mit anschließendem ELFentanz
  • 11.11.2024
  • 11.11 Uhr
  • Schillerplatz
Proklamation der Narrencharta am Fastnachtsbrunnen mit anschließendem ELFentanz