Die Mainzer Fastnachtsposse und die Scheierborzeler
Possen als historische Bestandteile der Mainzer Fastnacht
Aufführungen von Possen gehören von den Anfängen der reformierten Fastnacht in Mainz zum gewachsenen Ablauf der närrischen Tage. Auch wenn Rosenmontagszüge oder komplette Kampagnen ausfielen, weil Kriege, Katastrophen, Besatzungszeiten oder Geldmangel das verhinderten, Jahre ohne Possen gibt es wenige.
Possen handeln von Verwechslungen, Zufällen, sie übertreiben, sind derb komisch sie sind seit Beginn des 18. Jahrhunderts Gegenstücke zu höfischen Tragödien und Komödien. Wenn man noch weiter zurückgeht, kommt man zu den antiken Satyrspielen mit Masken und in der Neuzeit sind Vorläufer der modernen Possen die Steigreifkomödien der Comedia del‘l arte. Ursprünglich wurden die Possen in Mainz nur am Fastnachtssonntag gespielt, heute gibt es mehrere Aufführungen.
In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts beherrschten Lustspiele und Possen den Spielplan des Schauspiels in Mainz, bevorzugt handelte es sich um Stücke von August von Kotzebue.
Häufig findet man in den Mainzer Possen des 19. Jahrhunderts das Prädikat „preisgekrönt“, weil die Stücke aus Wettbewerben hervorgingen: wer sich berufen fühlte eine möglichst kurzweilige Handlung zu entwerfen, konnte sich am Wettbewerb beteiligen. Situations- und Charakterkomik als Bestandteile waren und sind willkommen. Das ehemalige Improvisationstheater lebte bis in die jüngere Vergangenheit insofern weiter, als einzelne Schauspieler gerne vom vorgeschriebenen Text abwichen, diesen veränderten oder eigene Einfälle einfließen ließen.
Weitaus die meisten Possen haben nur eine Aufführung erlebt. Besonders erfolgreiche dagegen, wie die „Pension Schöller“ fanden sogar einen Platz in den Spielplänen der Theater. Weitere erfolgreich Possen sind „Hurra, mir erwe“, „Babbel nit“ und „das Heiratsfieber“.
Text: Dr. Michael Kläger
Die Fastnachtsposse oder „Wer sind eigentlich die Scheierborzeler?“
Neben der Straßenfastnacht und der Saalfastnacht veranstaltet der Mainzer Carneval-Verein seit 1838 auch Fastnachtspossen im Mainzer Theater. […]. Die Fastnachtspossen wurden anfangs nur in einer Vorstellung am Fastnachtsonntag auf die Bühne gebracht. Heutzutage finden sieben Vorstellungen und eine öffentliche Generalprobe statt. Bis zum ersten Weltkrieg wurden alle Rollen von Männern gespielt. Ab Mitte der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts spielen auch Frauen in der Fastnachtsposse mit. Von Anfang an spielten Laien die Rollen in der Fastnachtsposse. Für dieses Ensemble bürgerte sich der Name „Scheierborzeler“ ein. Der Ursprung dieses Namens kann nicht mehr eindeutig geklärt werden. Später spielten auch immer Schauspieler des Mainzer Theaters in der Fastnachtsposse mit. Leider ist diese Tradition in den letzten Jahren eingeschlafen.
Die Gruppe der Scheierborzeler besteht aus ca. 25 Personen, die der langjährigen Regisseurin Heidi Pohl zur Verfügung stehen. Sylvia Kipper ist die aktuelle Sprecherin der Gruppe, die durch Veranstaltungen auch außerhalb der Probezeit ihren Zusammenhalt stärkt. Die Proben beginnen im Allgemeinen Mitte Oktober und dauern bis zur Premiere am Dienstag vor Fastnacht. Üblicherweise wird dreimal pro Woche 3-4 Stunden im Theater geprobt.
Die Stücke, die zur Aufführung gebracht werden, sind häufig aus der Feder bekannter Mainzer Bürger oder Wiederaufnahmen von Klassikern der Fastnachtsposse. […] Politische Anspielungen, die im 19. Jahrhundert in der Fastnachtsposse zu finden waren, sind in der heutigen Zeit vollständig aus der Posse verschwunden.
Gesang und Ballett haben in der Fastnachtsposse eine langjährige Tradition. So wird schon seit dem 19. Jahrhundert mit dem Publikum ein Lied gesungen, das einen Bezug zum Stück hat. Welche Bedeutung die Musik für die Posse hat, sieht man daran, wie viele gestandene Musiker des Mainzer Theaters zum Gelingen der Fastnachtsposse beigetragen haben. So stammt das bekannte Mainzer Lied „Heile, Heile Gänsje“ ursprünglich aus der Posse, „Hurra mir erwe“ von Martin Mundo und Phillip Wasserburg.
Text: MCV / Elmar Maus